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Fitis als extremer Zilpzalp-Mischsänger?

Cuxhaven-Oxstedt, Niedersachsen, 05-2020
© Bernhard Deykowski



2020-05-12   1
Bernhard Deykowski Fitis als extremer Zilpzalp-Mischsänger?
Hallo zusammen,

am 03.05.2020 hörte ich einen Gesang, der mich ziemlich verwirrte. Meist ist der erste Gedanke der Richtige, da ich an einen Mischsänger dachte, der Fitis imitiert oder umgekehrt. Ich fertigte zwei Aufnahmen mit dem Smartphone und fuhr nach Hause. In der Folgezeit wollte ich diesen doch ungewöhnlichen Sänger einigen Leuten nicht vorenthalten. Nun, meine vorschnelle Taigazilpzalp-Meldung vergessen wir jetzt ganz schnell wieder. Es ist müßig dahingehend jetzt nachzukarten, denn es sollte in der Folgezeit noch kompliziert werden im Hinblick auf die Variation seiner Gesangselemente.

Komme ich zur Thematik. Als ich den Sänger das erste Mal hörte, vernahm ich zunächst lediglich eine kurze einleitende Fitis-Strophe. Danach folgte ein Zilpzalp-Gesang, der mir jedoch völlig fremd war. Mit dem Gesang vom Iberienzilpzalp bin ich aus Spanienaufenthalten vertraut. Ansonsten hatte ich vor ca. 20 Jahren im Rheinland bereits einmal einen Mischsänger gehabt, der aber artgerecht und dominant seine Fitis-Strophe sang und erst zum Schluss ein kurzes zilp-zalp anhing. Völlig anders jedoch dieser Sänger. Ungeachtet dessen, dass ich bis heute noch nicht herausgefunden habe, woher dieser Fitis seinen ungewöhnlichen Zilpzalp-Gesang „hergenommen“ hat, ist dieser bei ihm dominant. Am 04.05. konnte Pierre Schulz schließlich sehr gute Fotobelege auf Augenhöhe fertigen. Ich danke ihm für die Übertragung des Copyrights, damit ich seine Fotos hier im Club zur Verfügung stellen kann.

Die Fotos von Pierre Schulz entsprechen meines Erachtens dem Phänotyp der Nominatform und weisen keine für mich sichtbaren Unterschiede im Gefieder auf, einzig die Beinfarbe empfinde ich trotz neutraler Belichtung als etwas dunkel. Bleibt die Frage, ob ein Hybrid Fitis x Zilpzalp ohne DNA-Untersuchung feldornithologisch überhaupt erkennbar ist... Und wenn, wie verhält es sich mit den bekannten Hybrid-Zonen? Pierre Schulz fertigte am 04.05. ebenfalls eine Tonaufnahme, in der man gegen Schluss sehr gut den tonal fließenden Übergang von Fitis zu Zilpzalp hören kann. Da das Gesangsrevier unweit meiner Wohnung nahe der Küstenheide ist, hatte ich ihn am Morgen des 06.05. nochmals für ca. eine Stunde aufgesucht, wo er dann wieder ausdauernd sang, jedoch nunmehr mit null komma null Fitis-Elementen. Also ein Fitis ohne eine einzige Fitis-Strophe! Für mein persönliches Empfinden (und ich bilde mir ein, dass ich ein feines musikalisches Gehör habe), wechselte er sogar immer wieder mal das Tempo und die Länge der Strophen. Während er sang, verhielt er sich so wie jeder Laubsänger; er war agil und flog oder hüpfte von Ast zu Ast. Offensichtlich hatte er dort aktuell für ein paar Tage ein Gesangsrevier, was aber für durchziehende Fitisse ja normal ist.

Ich hatte mich bereits am ersten Abend und in den folgenden Tagen versucht mit der Thematik zu beschäftigen. Vor allem die Arbeit von Alan Dean ist meines Erachtens sehr aufschlussreich. Er schreibt in seiner Arbeit „Song switching and mixing in Willow Warbler and Common Chiffchaff: “In the case of true 'mixed singing' between Willow Warbler Phylloscopus trochilus and Common Chiffchaff P. collybita, the result can suggest the song of Siberian Chiffchaff P. (c.) tristis or even Greenish Warbler P. trochiloides. Other 'combination singers' can include phrases which strongly resemble the song of Iberian Chiffchaff P. ibericus”.

Es ist bekannt, dass in den Überschneidungszonen zwischen P. collybita und P. ibericus eine Hybridisierung gar nicht so selten ist und man vermutet dies auch im Grenzgebiet von P. abientinus und P. tristis. Kann es vielleicht sein, dass in dem Fall des Cuxhavener Vogels, es sich um einen Hybriden handelt, der dem einen Elternteil so ähnlich sieht, dass man ihn gar nicht mehr von der reinrassigen Form der jeweiligen Art unterscheiden kann? Und wenn ja, was würdet ihr vermuten, woher dieser extrem atypische Zilpzalp-Gesang rührt? Fest steht, so etwas habe ich in der Form noch nie gehört, wenn ich mal von dem normalen Mischsänger vor 20 Jahren absehe, der aber seinen Gesang sauber vortrug. Spannend allemal und vielleicht werden wir auch keine schlüssige Antwort finden. Am 08.05. hatte ich ihn übrigens zuletzt gehört.

Anmerkung: Tonaufnahmen stehen in der Audio Gallery zur Verfügung. Drei weitere Fotobelege hatte ich gestern hochgeladen.

Beste Grüße
Bernhard Deykowski